Ein Interview mit Apotheker und Produktentwickler Alexander Daske zum Einsatz von Medizinalcannabis in der Schmerztherapie:
Herr Daske, im Falle einer Migräne-Diagnose oder bei Cluster-Kopfschmerzen können Ärzt:innen ihren Patient:innen eine Cannabis-Therapie verordnen. Wie genau kann Cannabis hier helfen?
Alexander Daske: Die höchsten Evidenzen von medizinischem Cannabis haben wir bei neuropathischen Schmerzen, Tumorschmerzen, chronischen Schmerzen – und eben Migräne, mit und ohne Aura, sowie bei starken Clusterkopfschmerzen. Wenn die Leitlinientherapie beim Patienten oder der Patientin nicht mehr ausreicht, kann auf die ‚inhalative Blütentherapie‘ zurückgegriffen werden. Bei einsetzenden Schmerzattacken ist es sinnvoll, mit einer direkten Wirkstoff-Anflutung sicherzustellen, dass Frequenz, Intensität und Wahrnehmung des Schmerzes gelindert sowie Übelkeit und Erbrechen deutlich gesenkt werden können. Patient:innen mit Migräne oder auch Clusterkopfschmerzen nehmen oftmals den Schmerz als unglaublich stark und drückend wahr. Studien haben gezeigt, dass gerade durch die Beeinflussung des Serotoninhaushalts, also der Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt, und durch die Beeinflussung der Entzündungs-Mediatoren-Freisetzung eine Verbesserung der Symptomatik erzielt werden kann: weniger Schmerzattacken, weniger intensive Attacken, insgesamt eine positive Beeinflussung der Schmerzwahrnehmung. Vor allem 1:1-Gemische aus THC und CBD sind hierbei zielführend. Es gibt spezielle Rezepturen auf dem Markt, die individuell angefertigt werden können.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Behandlung gemacht?
Daske: Beispielsweise haben wir jahrelange Erfahrung mit Cluster-Kopfschmerz-Patient:innen, bei denen die Frequenz und die Intensität der Attacken reduziert werden konnten. Gerade hier gibt es mit der Leitlinientherapie oftmals Probleme, dauerhaften Erfolg zu erzielen. Durch die schnelle Anflutung der inhalativen Cannabistherapie konnten wir in der Schmerzwahrnehmung positive Erfolge erkennen. Generell möchten wir Opioide oder andere Schmerztherapeutika reduzieren und die Lebensqualität der Patient:innen insgesamt verbessern. Das klappt bisher sehr gut. Wir haben eine relativ gute Studienlage, vor allem im Bereich der Schmerztherapie sowie bei neuropathischen und chronischen Schmerzen.
Wie kommen Patient:innen an das Medizinalcannabis?
Daske: Der gesetzlichen Regelung zufolge müssen Ärzt:innen überprüfen, ob Patient:innen die Voraussetzungen für die Gabe von Cannabinoiden als adjuvante Therapieform erfüllen: Welche Vortherapien gab es? Ist eine Cannabistherapie notwendig, weil es keine alternativen Therapiemöglichkeiten gibt oder aufgrund von Nebenwirkungen keine alternativen Therapiemöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen? Ist dies erfüllt, dann muss geklärt werden, ob es bei dem Patienten oder der Patientin mit einer Privatverordnung oder mit einem Kostenantrag für die GKV-Übernahmegenehmigung weitergeht.
Wie stehen Sie den Cannabis-Vorurteilen gegenüber, die sich weiter hartnäckig halten?
Daske: Der Umgang mit medizinischem Cannabis und das allgemeine Stimmungsbild haben sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Die Akzeptanz gegenüber der Therapie ist gewachsen, die Stigmatisierung weniger ausgeprägt. Immer mehr Ärzte und Apotheker behandeln mit Cannabis und merken, dass wir damit eine zusätzliche Add-on-Therapiemöglichkeit haben, mit der wir vielen Menschen in Bezug auf Lebensqualitätssteigerung und Verbesserung ihrer Schmerzsymptomatik helfen können. Aber es gibt noch Steigerungsbedarf. Und: Wir müssen noch viel besser aufklären.
Zur Person:
Alexander Daske, Jahrgang 1993, ist Apotheker in Mannheim und seit einigen Jahren in der Produktentwicklung von individuellen Rezepturarzneimitteln sowie in der Schmerztherapie und der cannabinoidbasierten Therapie tätig. Er versorgt deutschlandweit schwerkranke Cannabispatienten und setzt auf qualitativ sehr hochwertige Produkte, wie Extrakte mit unterschiedlichen THC- und CBD-Konzentrationen von Four 20 Pharma aus Paderborn.
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